Surrealismus und Dadaismus

Augen betrachtet – auch nichts anderes ist, als das Auftragen von Farbe. L.H.O.O.Q. (auch auszusprechen als Look!) oder „Mona Lisa mit Schnurrbart“ war eine billige Farbreproduktion, die Duchamp mit wenigen Strichen veränderte; Picabia nahm sie als Titelseite in seine Zeitschrift „391“ auf. Es kommt bei dieser künstlerischen Geste weniger auf den keineswegs originellen Einfall an, ein weibliches Gesicht durch einen Schnurrbart männlich zu verfremden, als vielmehr auf den Entschluss, diese Entweihung ausgerechnet an einem der heiligsten Objekte des bürgerlichen Museumsbetriebes vorzunehmen. Die geheimnisvolle Formel L.H.O.O.Q. wurde übrigens auch von Picabia mehrfach auf seinen Gemälden und Manifesten der Zeit um 1920 verwendet. Die „Ready-Mades“, die vielen als ein Endprodukt der Kunst überhaupt erschienen waren, waren Duchamps vorletztes Wort zur Kunst. Er beteiligte sich noch an verschiedenen surrealistischen Ausstellungen mit „Objekten“, so z. B. 1921 mit einem Vogelkäfig, der mit würfelzuckerartig gesägten kleinen Marmorquadern gefüllt war, in denen ein Thermometer steckte. Titel: „Why not sneeze?“ Duchamps bedeutendstes letztes Wort zur Kunst war jedoch das in den Jahren 1915 bis 23 gemalte sogenannte „Große Glas“, mit vollem Titel „La Mariée mise à nu par ses célibataires“. In dieses Werk gingen im Laufe seines jahrelangen Entstehungsprozesses so viele bildnerische (Überlegungen ein, dass es zahlreicher Buchseiten bedürfte, um das Werk selbst nebst allen Vorarbeiten, die in einer gesonderten Mappe erschienen, erschöpfend beschreiben zu können. Duchamp selbst stellte bereits einen zehnseitigen Text zu dem Werk her. Wir beschränken uns hier auf einige Äußerungen Bretons, der der Ansicht war: „Ich behaupte, daß man zur Erkenntnis des objektiv gültigen Werkes von ‚La Mariée mise à nu‘ unbedingt im Besitze eines Ariadne-Fadens sein muß.“ In seinem Aufsatz „Marcel Duchamp, das Leuchtfeuer

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